Lagebericht

Prognosebericht

Das im Dezember 2019 vom Kirchensteuerrat verabschiedete Budget 2020 ging von Kirchensteuererträgen in Höhe von 270,4 Mio. Euro, erhaltenen Zuschüssen in Höhe von 69,8 Mio. Euro, Erträgen aus Finanzanlagen von 13,2 Mio. Euro sowie sonstigen Erträgen von 8,9 Mio. Euro aus. Diesen geplanten Gesamterträgen von 362,3 Mio. Euro standen geplante Gesamtaufwendungen von 360,1 Mio. Euro gegenüber. Davon entfielen auf Zuschüsse 117,0 Mio. Euro und auf Personalkosten 142,4 Mio. Euro. Daraus ergab sich ein geplantes Ergebnis von 2,2 Mio. Euro. Das Investitionsbudget 2020 sah Investitionen in Sachanlagen in Höhe von 14,5 Mio. Euro vor.

Die Planungen und Prognosen für das Jahr 2020 sind jedoch mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 überholt.

Aufgrund der erheblichen negativen Auswirkungen auf die Volkswirtschaft und eines per Ende Juni 2020 erwarteten Rückgangs des deutschen Bruttoinlandsprodukts um rund 6,5 Prozent sowie eines deutlichen Anstiegs von Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit ist, basierend auf den staatlichen Steuerschätzungen, für das Jahr 2020 ein Rückgang der Kirchensteuererträge um rund 10 Prozent auf etwa 240 Mio. Euro zu erwarten. Trotz eines prognostizierten deutlichen Wirtschaftswachstums im Jahr 2021 ist davon auszugehen, dass die Kirchensteuererträge erst 2023 wieder das Vorkrisenniveau von rund 270 Mio. Euro erreichen werden.

Für die Jahre 2020, 2021 und 2022 rechnet das Bistum Aachen als Folge der Pandemie mit Jahresfehlbeträgen, die jedoch durch die bestehende Ausgleichsrücklage gedeckt werden können. Ab dem Jahr 2023 sind die in Anspruch genommenen Mittel im Sinne einer haushalterischen Ausgleichsrücklage wieder aufzufüllen, um für etwaigen Bedarf in späteren Jahren vorzusorgen.

Welche Auswirkungen hat die Corona-Krise auf die Finanzen des Bistums?

Der Wirtschaftsplan für das Jahr 2020 basierte auf den 2019 verfügbaren Daten und volkswirtschaftlichen Prognosen. Aus heutiger Sicht sind vor allem die damit verbundenen Annahmen zu den Erträgen Makulatur. Aber auch bei den Aufwendungen gibt es Abweichungen, etwa weil weniger Mittel abgerufen werden, während die Krise an anderer Stelle kurzfristige Sondermaßnahmen erfordert. Klar ist, dass es einen deutlichen Ertragsrückgang durch sinkende Kirchensteuererträge geben wird.

Risikobericht

Die vielen positiven Beiträge der Kirche im Bistum Aachen und ihre haupt- und ehrenamtlich engagierten Christinnen und Christen für die Gesellschaft und den einzelnen Menschen können nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die katholische Kirche in ihrer größten Umbruchsituation seit der Säkularisation Anfang des 19. Jahrhunderts befindet. Nicht zuletzt durch den sexuellen Missbrauch in ihren Reihen und den Umgang mit dieser Herausforderung wurde die Glaubwürdigkeit kirchlicher Verkündigung und kirchlichen Handelns schwer erschüttert.

Darüber hinaus ist ein zunehmender Entfremdungsprozess festzustellen, an dessen Ende vielfach ein Kirchenaustritt steht. Menschen verlieren den Kontakt zur Sozialgestalt der Kirche, distanzieren sich von Lehrinhalten und geben ihre religiöse Praxis auf. Dies erfordert von der Kirche einschneidende Veränderungen. Diese Veränderungen stehen im Fokus der zweiten Phase des „Heute bei dir“-Prozesses im Bistum Aachen, deren Programm „Wir wollen uns verändern“ das Grundanliegen formuliert. Veränderung ist auch das Ziel im Prozess des Synodalen Wegs der katholischen Kirche in Deutschland.

Vor dem Hintergrund dieser Rahmenbedingungen sieht sich das Bistum Aachen mit verschiedenen Risiken der künftigen Entwicklung konfrontiert. Diese werden in ökonomischer Hinsicht als beherrschbar angesehen. Darüber hinaus sind keine weiteren Risiken erkennbar, die eine wesentliche Auswirkung auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Bistums haben könnten. Bestandsgefährdende Risiken sind zurzeit nicht erkennbar.

Kirchensteuerentwicklung
+

Die Kirchensteuer ist die mit Abstand größte Einnahmequelle des Bistums. Ihre Höhe hängt in hohem Maße von ökonomischen, demografischen und steuerpolitischen Entwicklungen ab. Über die aktuelle Situation der Corona-Pandemie hinaus bestimmen die wirtschaftliche Entwicklung und die Lage am Arbeitsmarkt sowie die Beschäftigtenzahlen die mittel- und langfristige Entwicklung der Kirchensteuereinnahmen.

Letztlich entscheidend ist jedoch die Entwicklung der Katholikenzahlen beziehungsweise der Anteil der Katholikinnen und Katholiken, die Kirchensteuern zahlen. Diese Zahl wird maßgeblich bestimmt durch die demografische Entwicklung sowie die Zahl der Kirchenaustritte und die Zahl der Taufen. Angesichts der prognostizierten Entwicklung der Katholikenzahlen sind im günstigsten Fall Kirchensteuererträge in nominal gleichbleibender Höhe zu erwarten. Angesichts inflationsbedingter jährlicher Personal- und Sachkostensteigerungen werden sich die finanziellen Ressourcen in den kommenden Jahren und Jahrzehnten jedoch kontinuierlich verringern.

Darüber hinaus nimmt angesichts einer in den vergangenen Jahren stetig gestiegenen Steuerquote das Risiko steuerpolitischer Veränderungen zu.

Wieso steigen seit Jahren die Kirchensteuererträge?

Trotz sinkender Mitgliederzahlen durch die demografische Entwicklung und Austritte sind in den vergangenen Jahren die Kirchensteuererträge gestiegen, weil die Zahl der Beschäftigten in Deutschland stieg und die Konjunktur sich günstig entwickelte. Doch dieser Anstieg ergibt sich nur bei nominaler Betrachtung. Unter Berücksichtigung der Inflation, insbesondere steigender Personalkosten und Baupreise, stagniert die Entwicklung seit vielen Jahren. Wenn aber die Kosten schneller steigen als die Erträge, sinkt die Finanzkraft des Bistums.

Fach- und Führungskräftemangel
+

Die in den zurückliegenden Jahren sehr niedrigen Zugänge von Priestern, Diakonen sowie Pastoral- und Gemeindereferentinnen und -referenten haben zu einer kritischen Altersstruktur im pastoralen Dienst geführt. 77 Prozent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im pastoralen Dienst sind älter als 50 Jahre. Dadurch wird es in den kommenden Jahren zu einer erhöhten altersbedingten Fluktuation kommen. Da diese Stellen voraussichtlich nicht vollständig nachbesetzt werden können, werden unter anderem neue Modelle der Gemeindeleitung erforderlich sein. Gleiches gilt für die Personalstruktur im allgemeinen Bistumsdienst, während das Personal der Schulen eine weitgehend ausgeglichene Altersstruktur aufweist.

Die aktuelle Altersstruktur im pastoralen Dienst und im allgemeinen Bistumsdienst ist aber Chance und Risiko zugleich. Durch Fluktuation kann Wissen verloren gehen, sie bietet aber auch eine Chance, bestehende Aufgaben und Strukturen neu zu bewerten und gegebenenfalls anzupassen. Deshalb gilt beim Bistum Aachen die Regel, bei jeder neuen Vakanz die Aufgabenverteilung und Aufbaustruktur der betroffenen Organisationseinheit auf den Prüfstand zu stellen.

Politische Rahmenbedingungen
+

Die Finanzierung der laufenden Personal- und Sachkosten der Schulen in Trägerschaft des Bistums erfolgt zum größten Teil über Zuschüsse des Landes Nordrhein Westfalen auf Basis des Schulgesetzes und der Ersatzschulfinanzierungsverordnung. Ungeachtet einer derzeit stabilen politischen Situation der Ersatzschulfinanzierung hätten gesetzliche Änderungen in diesem Bereich erhebliche Auswirkungen auf diesen Tätigkeitsbereich und die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Bistums.

Im Sinne einer institutionellen Förderung der Kirchen erhält das Bistum sogenannte Staatsleistungen, deren Ursprung in Entschädigungszahlungen für Enteignungen durch den Reichsdeputationshauptschluss im Jahr 1803 begründet ist. Das Bistum Aachen hat im Jahr 2019 Staatsleistungen in Höhe von 2,4 Mio. Euro erhalten. Bereits die Weimarer Reichsverfassung von 1919 sah eine endgültige Regelung dieser Zahlungen vor. Seit 2019 gibt es auf Bundesebene Gesetzesinitiativen, die entsprechenden Ländergesetzen zur Ablösung dieser Zahlungen den Weg bereiten sollen. Die katholischen Bistümer in Deutschland werden das Vorhaben, ein Grundsätzegesetz zu schaffen, positiv begleiten, um – sofern politisch gewünscht – eine dem Äquivalenzprinzip entsprechende politische Regelung zu ermöglichen.

Altersversorgung
+

Gegenüber den Priestern, Kirchenbeamten – insbesondere pädagogisches Personal – sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist das Bistum umfangreiche Verpflichtungen aus Pensions- und Beihilfeleistungen sowie aus der kirchlichen Zusatzversorgung eingegangen.

Für die unmittelbaren Pensions- und Beihilfeverpflichtungen hat das Bistum handelsrechtliche Rückstellungen gebildet und zusätzliche Rücklagen für erwartete Auswirkungen der Niedrigzinsphase aufgebaut.

Darüber hinaus besteht eine gesamtschuldnerische Gewährträgerhaftung des Bistums Aachen zusammen mit anderen Bistümern für die Kirchliche Zusatzversorgungskasse (KZVK) in Köln. Für die eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat das Bistum freiwillig Rückstellungen für zusätzliche Finanzierungs- und Angleichungsbeiträge zur Verminderung der Deckungslücke der KZVK gebildet. Dennoch kann das trotz der neuen Finanzierungssystematik der KZVK bestehende Restrisiko aus der Gewährträgerhaftung nicht vollständig ausgeschlossen werden.

Finanzanlagen
+

Im Bereich der Finanzanlagen ist das Bistum vor allem Emittenten-, Bonitäts-, Zinsänderungs- und Marktrisiken ausgesetzt. Die Vermögensanlagen des Bistums erfolgen zunehmend im Rahmen von Spezialfonds und externen Vermögensverwaltungen. Die Steuerung und Ausrichtung der verschiedenen Vermögensanlagen unter Berücksichtigung der Anlagerichtlinien trägt dafür Sorge, dass das Ziel einer risikoadjustierten, nachhaltigen und auf langfristigen Vermögenserhalt ausgerichteten Anlagepolitik gewährleistet bleibt. Folglich wird das Risiko aus Finanzanlagen als mäßig eingeschätzt.

Gestaltungsmöglichkeiten und Chancen
+

Angesichts der epochalen Umbruchsituation, in der sich die Kirche in Deutschland befindet, stellt das Bistum Aachen die Möglichkeiten und Chancen für eine positive Gestaltung der Kirche und damit ihrer künftigen Entwicklung in den Fokus.

Der christliche Glaube an einen menschenfreundlichen Schöpfergott, Jesu Gebot der Gottes- und Nächstenliebe und die in Jesu Auferstehung gründende Hoffnung sind unverändert gültige, froh machende Botschaften für eine humane Welt in Frieden und Gerechtigkeit und nicht zuletzt über den Tod hinaus. Das Evangelium und die vielgestaltige katholische Tradition bieten auch heute reichliche Anknüpfungspunkte und glaubwürdige Erfahrungen für die persönliche Spiritualität der Menschen im 21. Jahrhundert.

Die Kirche im Bistum Aachen und in Deutschland stellt sich insbesondere mit zwei zentralen Veränderungsprozessen den Herausforderungen einer säkularisierten Welt, in der die Zugehörigkeit zur Kirche nicht mehr selbstverständlich ist.

In seiner Silvesterpredigt 2017 hat Bischof Dr. Helmut Dieser unter dem Leitbild „Heute bei dir“ einen synodalen Gesprächs- und Veränderungsprozess im Bistum Aachen ausgerufen. „Heute bei dir“ will neue Wege suchen und weiterentwickeln, um Menschen besser anzusprechen, will neugierig machen auf die Botschaft des Evangeliums und will jede und jeden dazu einladen, die Kirche im Bistum Aachen aktiv mitzugestalten, um gemeinsam die Zukunft zu prägen. Bis zur Heiligtumsfahrt 2021 soll der Prozess die Richtung weisen, mit welchen Zielen und Schritten die Seelsorge verändert werden muss, um den heutigen Herausforderungen zu entsprechen. Nach einer Phase des Austauschs und der Analyse der veränderten gesellschaftlichen und kirchlichen Wirklichkeit hat Mitte 2020 die zweite Phase „Wir wollen uns verändern“ begonnen. Auf Basis der in der ersten Phase identifizierten Themenschwerpunkte sollen bis Mitte 2021 Szenarien für die notwendige Weiterentwicklung der Kirche im Bistum Aachen erarbeitet werden. Die Umsetzungsphase „Wir wollen neu handeln“ soll dann Anfang 2022 beginnen.

Nach der Veröffentlichung der MHG-Studie „Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich Bischofskonferenz“ und den damit verbundenen Erschütterungen ist deutlich geworden, dass die Kirche in Deutschland einen Weg der Umkehr und Erneuerung braucht. Aus diesem Anlass haben die deutschen Bischöfe den Synodalen Weg beschlossen, der am ersten Advent 2019 begonnen hat und auf zwei Jahre angelegt ist. In diesem von der Deutschen Bischofskonferenz und dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken getragenen Synodalen Weg soll in einem ehrlichen, offenen und selbstkritischen Dialog über die Bedeutung von Glaube und Kirche in der heutigen Zeit nachgedacht werden.

Die thematische Arbeit des Synodalen Wegs wird dabei in insgesamt vier Synodalforen zu „Macht und Gewaltenteilung in der Kirche – Gemeinsame Teilnahme und Teilhabe am Sendungsauftrag“, „Leben in gelingenden Beziehungen – Liebe leben in Sexualität und Partnerschaft“, „Priesterliche Existenz heute“ und „Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche“ vorbereit. Der Synodale Weg der Kirche ist damit eine gute Chance, verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen und der Stärkung der christlichen Botschaft zu dienen.

Über diese Prozesse hinaus bieten die Herausforderungen von Schöpfungsverantwortung und Nachhaltigkeit Möglichkeiten für neue spirituelle Ansätze. Eine theologisch gut begründete, enge ökumenische Zusammenarbeit mit anderen christlichen Konfessionen eröffnet zusätzlich neue Chancen für eine weiterhin breite kirchliche Präsenz vor Ort.

Die Langfristprognosen hinsichtlich der finanziellen Rahmenbedingungen bis zum Jahr 2060 sagen eine reale Verminderung der jährlich zur Verfügung stehenden Mittel voraus. Dies wird langfristig eine Halbierung des Haushaltsbudgets erforderlich machen. Hauptaufgabe der Planung in den kommenden Jahren und Jahrzehnten ist es, das bisherige ressourcenintensive Wirken zu überprüfen und nach neuen Wegen der Organisation und Leitung des kirchlichen Lebens zu suchen. Durch vorausschauende mittel- und langfristige Planungsrechnungen sowie entsprechende Rücklagen und Risikovorsorgen ist das Bistum Aachen aber in der Lage, notwendige Entwicklungsprozesse rechtzeitig umzusetzen und so dauerhaft kirchliches Handeln unter Beachtung der personellen und finanziellen Rahmenbedingungen zu ermöglichen.

Vom 18. bis 28. Juni 2021 findet die nächste Heiligtumsfahrt Aachen statt. Unter dem Motto „Entdecke mich“ und dem biblischen Leitwort „Für wen haltet ihr mich?“ (Mt 16,15) lädt die Heiligtumsfahrt dazu ein, Christus und den Glauben neu zu entdecken. Die Aachener Wallfahrt ist ein fröhliches Fest des Glaubens für Jung und Alt, das Pilger aus der ganzen Welt zusammenbringt.

Das Bistum Aachen ist gut vorbereitet, um sich dem Wandel unserer Zeit zu stellen. Auf einem festen Fundament stehend greifen wir die Veränderungen der Gesellschaft auf, in der Kirche lebt und wirkt. So können wir gemeinsam daran mitwirken, dass das Netzwerk Kirche auch in Zukunft trägt und einen verlässlichen Beitrag leistet.

Aachen, 10. September 2020 Bistum Aachen Körperschaft des öffentlichen Rechts

gez. Dr. Andreas Frick

Generalvikar

gez. Martin Tölle

Diözesanökonom